Erst flirten, dann abtauchen: Der «War of Talents» wird heutzutage mittels Virtual Applications ausgefochten - mit etwas gar viel fake. Das hat zuweilen seine eigene Komik.
Ich mag Bewerbungen, echt jetzt. So eine Bewerbung ist wie ein Flirt, ein Augenzwinkern: «Hallo, ich wäre interessiert, wenn ich dir auch ein bisschen gefalle, melde dich!» Meistens bekommt man als Job-Anbieter dazu noch ein Social Media-Profil geliefert, oft einen Lebenslauf und manchmal sogar ein Anschreiben.
Nun sind viele Jobplattformen zunehmend sehr bedienerfreundlich. Man füllt sie rasch aus - schwupps! - schon ist mit dem «Apply»-Button alles verschickt. Und weil es so flott geht, wird auch heftig drauflosgeklickt. Die elektronischen Bewerbungen stapeln sich dann in den Datenbanken oder Mailboxen der Recruiter.
«Apply»-Button-Drücker ohne Absichten
Für uns hat ein Screenen dieser Bewerbungen zunehmend eine eigene Komik. Ich denke explizit an Bewerbungen von hochqualifizierten Fachkräften, von Bewerbern, die alle einen tertiären Bildungsabschluss vorweisen können. Was wollen diese «Apply»-Button-Drücker eigentlich?! Können sie lesen? Oder handelt es sich hier nur um Fake-Bewerber? Wollen sie oder wollen sie nicht...?
Diese Fragen verfestigen sich, wenn rund zwanzig Prozent der Kandidaten, mit denen wir auch gerne zuzwinkern würden, sich dann nie mehr melden. Es ergeht ihnen beinahe wie den begehrten Männern und Frauen auf Tinder: Sie bekommen so viel Angebote, dass sie kaum noch wissen, wohin damit. Manche unserer Bewerber verlieren offenbar die Übersicht bei ihren Applications. Vielen vergeht aufs Mal die Lust, in einen anstrengenden Bewerbungsprozess einzusteigen. Andere haben plötzlich ganz viel los. Der «War of Talents» bekommt eine neue Bedeutung. Wer sich bis zum Telefoninterview aufraffen kann, ist im nächsten Level.
Der Wunschkandidat als Fata Morgana
Aber wehe, wir oder unsere Kunden würden die Kandidaten gerne persönlich kennen lernen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Unsere Wunschkandidaten sind nun plötzlich sehr schlecht zu erreichen, antworten weder auf E-Mails, SMS oder andere Nachrichten. Wir erreichen sie auch nicht auf Social Media. Wisch, schwupps und weg sind sie!
Bekommt man doch mal noch einen zu fassen, ist er im Dauerterminstress, hat keine Ferientage mehr im laufenden Jahr, ist von Auslandsaufenthalten oder heftigen Krankheiten absorbiert - fürwahr, das sind grosse Herausforderungen. Wäre daher ein Skype-Gespräch eine Lösung?
Fake-Bewerbung oder falsche Absichten?
Zeit fliesst ins Land. Schliesslich ist das Skype-Bild verwackelt, die Verbindung schlecht. Irgendwann fragen diese Kandidaten, ob nun wohl der Vertrag versendet werden kann. Zweifel kommen auf: Vielleicht besser doch nur ein Fake-Vertrag für eine Fake-Stelle? Beide Seiten sind überfordert. «Jederzeit, ja, aber... aktuell ist grad viel los... echt jetzt...»